Einsatz von Cannabis als Medizin bei Glaukom (Grüner Star)
Veröffentlicht am: 17. November 2017
Geändert am: 17. November 2017
Die Augenerkrankung „Grüner Star“, die auch als Glaukom bezeichnet wird, betrifft weltweit mehr als 70 Millionen Menschen. Der erhöhte Augeninnendruck ist hier ein Risikofaktor, denn bei einer Nichtbehandlung kommt es zu einer Schädigung am Sehnerv, was zur Erblindung führen kann. Seit Langem wird medizinisches Cannabis als Behandlungsoption diskutiert. So weisen einige Studien darauf hin, dass die Cannabinoide aus der Cannabispflanze den erhöhten Augeninnendruck beim Grünen Star (Glaukom) reduzieren können.
Das Glaukom beruht auf unterschiedlichen Ursachen, weshalb der Begriff „Glaukom“ für verschiedene Formen der Augenerkrankung steht. Gemeinsam haben alle Glaukomformen, dass der Augeninnendruck erhöht ist. Häufig liegt auch eine Durchblutungsstörung des Sehnervs vor. Infolge des erhöhten Augeninnendrucks werden die Nervenfasern des Sehnervs irreversibel geschädigt. Und im schlimmsten Fall droht eine Erblindung.
Der ringförmige Ziliarkörper in der mittleren Augenhaut produziert kontinuierlich das Kammerwasser, eine klare Flüssigkeit, die das Auge durchfließt und den vorderen Teil des Augapfels ausfüllt. Wenn der Abfluss des Kammerwassers gestört ist, folgt ein erhöhter Augeninnendruck.
Unterschieden wird die Glaukomerkrankung in der Augenheilkunde je nach Ursache in eine primäre und sekundäre Form. Dabei handelt es sich bei einem primären Glaukom in der Regel um ein sogenanntes Offenwinkelglaukom. Trotz des offenen Kammerwinkels fließt das Kammerwasser zu langsam ab, sodass die Folge ein erhöhter Augeninnendruck ist. Häufig tritt das Offenwinkelglaukom ab dem 40. Lebensjahr auf. Das Risiko, an einem Glaukom zu erkranken, steigt, wenn nahe Verwandte ebenfalls betroffen sind.
Zu den primären Glaukomen gehört auch das Normaldruckglaukom, also eine Glaukomerkrankung, ohne dass ein erhöhter Augeninnendruck vorliegt. Dennoch kann es hier zu einer Schädigung des Sehnervs und Erblindung kommen. Ursächlich ist hier eine instabile Durchblutung des Sehnervs, die beispielsweise durch Blutdruckschwankungen ausgelöst wird.
Wesentlich seltener ist das Winkelblockglaukom, bei dem der Kammerwinkel zu eng ist. Hierdurch wird die Regenbogenhaut blockiert (akuter Glaukomanfall), sodass der Augeninnendruck stark ansteigt. Ein kurzer Augapfel (Weitsichtigkeit) kann unter anderem das Risiko eines akuten Glaukomanfalls erhöhen.
Zu den sekundären Glaukomformen gehört das Pseudoexfoliationsglaukom (PEX-Glaukom), das bei ungefähr zehn Prozent aller über 60-Jährigen auftritt. Die Glaukom Ursachen werden hier in einer erblichen Störung (PEX-Syndrom) angenommen. Neben dem erhöhten Augeninnendruck kommt es auch oftmals zu Druckschwankungen.
Wenn sich ein Grüner Star im Zusammenhang mit anderen Krankheiten oder Augenverletzungen entwickelt, wird ebenfalls von einem sekundären Glaukom gesprochen. In der Regel handelt es sich dann um Offenwinkelglaukome. Beispielsweise können Blutreste den Abflussweg des Kammerwassers verstopfen, sodass ein Glaukom entsteht. Ähnliches kann bei Entzündungen im Auge passieren oder bei Gefäßneubildungen im Auge infolge einer Diabetes-Erkrankung. Daneben kann ein Sekundärglaukom auch als unerwünschte Arzneimittelnebenwirkung auftreten, wie beispielsweise durch die Therapie mit kortisonhaltigen Augentropfen.
Darüber hinaus gibt es auch primäre und sekundäre Glaukome, die angeboren sind und vermutlich eine genetische Ursache haben. Zwar sind diese Glaukomformen eher selten, dafür schreiten sie sehr schnell fort, sodass hier operativ eingegriffen werden muss.
Grüner Star und seine Symptome
Je nach Glaukomform können sich unterschiedliche Symptome zeigen. So verläuft das primäre Offenwinkelglaukom zu Beginn ohne erkennbare Symptome. Betroffene spüren keine Schmerzen. Jedoch entstehen beim Sehen, wenn der Augeninnendruck ansteigt, farbige Höfe oder Ringe um Lichtquellen. Im späteren Verlauf kann es auch zu Gesichtsfeldausfällen kommen und ohne eine rechtzeitige Behandlung besteht die Gefahr einer Erblindung.
Das akute Glaukom (Glaukomanfall) bedarf einer sofortigen Behandlung und ist ein medizinischer Notfall, bei dem sich folgende Symptome zeigen:
- starke Kopfschmerzen und Augenschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Sehstörungen
- rotes Auge
- Lichtstarre
- steinhartes Auge (Augapfel fühlt sich hart an bei geschlossenen Augen)
Tritt der sekundäre Grüne Star als Begleiterscheinung einer anderen Krankheit auf, so zeigen sich meist keine Symptome oder aber es treten Symptome auf, die einem akuten Glaukom ähneln.
Glaukom: Untersuchungen und Diagnose
Bei Verdacht auf ein Glaukom untersucht der Augenarzt (Facharzt für Augenheilkunde) zunächst das Gesichtsfeld und den Augenhintergrund. Zudem misst er den Augeninnendruck. Häufig ist eine langjährige Verlaufskontrolle beim primären Offenwinkelglaukom notwendig, bis die Diagnose endgültig feststeht.
Der Augeninnendruck ist meistens nicht aussagekräftig genug, um die Diagnose Glaukom zu bestätigen. Denn ein Glaukom kann auch auftreten, wenn der Augeninnendruck im Normbereich liegt. Außerdem kann ein normaler Druck bereits für ein empfindliches Auge ausreichend sein, um eine Schädigung am Sehnerv hervorzurufen. Umgekehrt muss ein erhöhter Druck auch nicht immer zwangsläufig ein Glaukom verursachen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Toleranzgrenze des betroffenen Auges höher ist als der Normbereich. Dabei liegt der obere Normbereich des Drucks bei ungefähr 21 mmHg. Mit fortschreitendem Alter kann der Augeninnendruck steigen.
Aus diesen Gründen reicht es auch nicht aus, nur den Augeninnendruck zu messen. Mitentscheidend für die Diagnose Glaukom ist das Aussehen des Sehnervs. Der Augenarzt wird sich also auch die Hornhaut, den Augenhintergrund sowie die Augenvorderkammer ansehen, sodass der gemessene Augeninnendruck besser eingeschätzt werden kann.
Glaukom: Therapie und Behandlung
Ein Glaukom bedarf einer augenärztlichen Behandlung, wobei sich die Therapie nach der jeweiligen Glaukomform richtet. Wenn das primäre Offenwinkelglaukom früh erkannt wird, kann dieses mit speziellen Augentropfen (z.B. Latanoprost, Dorzolamid oder Timolol), die den Augeninnendruck senken, gut behandelt werden. Das Glaukom zu lasern, erfolgt in der Regel nur, wenn der Augeninnendruck mit den Augentropfen nicht ausreichend gesenkt werden kann. Außerdem kann die Lasertherapie den Augeninnendruck meist nicht ausreichend verringern, weshalb dann beim Grünen Star meist nur noch eine OP bzw. ein operativer Eingriff hilft. Bei solch einer Operation wird ein künstlicher Abfluss für das Kammerwasser geschaffen.
Da ein akutes Glaukom ein Notfall darstellt, bedarf es einer sofortigen Therapie. Mithilfe von Medikamenten wird zunächst der Augendruck gesenkt und anschließend erfolgt eine Operation zur Behandlung des Grünen Star. In der Regel verspricht eine sofortige Behandlung gute Heilungschancen. Jedoch kann ein Glaukomanfall unbehandelt zur Erblindung führen.
Glaukom: natürliche Behandlung
Ein Grüner Star muss grundsätzlich von einem Augenarzt behandelt werden. Eine naturheilkundliche Behandlung des Glaukoms kann lediglich unterstützend wirken und sollte vorher mit dem Arzt besprochen werden. Infrage kommt bei einer homöopathischen Behandlung des Glaukoms die Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris), die zu den Frühlingspflanzen gehört. Das hieraus hergestellte Extrakt (Extractum Pulsatillae) kann die Regeneration bei Krankheiten des inneren Auges unterstützen. Schon der berühmte Augenarzt Albrecht von Graefe hatte im 19. Jahrhundert den Grünen Star mit Extrakten aus der Küchenschelle behandelt und erzielte hier positive Effekte.
Auf den Augenstoffwechsel können sich auch Bachblüten wie Rock Rose, Walnut und Rock Water auswirken. Zudem ist der Einsatz von LM-Potenzen von Ruta graveolens möglich. So sollen rutinhaltige Heilpflanzen wie Stiefmütterchen, Rosskastanie und Veilchen den Augeninnendruck leicht senken.
Glaukom: Studien weisen auf therapeutisches Potenzial von Cannabis als Medizin hin
Bereits in den 70er Jahren beschäftigten sich Forscher mit medizinischem Cannabis und seine Wirkung auf den Augeninnendruck. Vor allem die Studie von Hepler und Frank aus dem Jahr 1971 gab der Forschung den Anlass, diese Thematik weiter zu untersuchen. So konnten Hepler und Frank nachweisen, dass Cannabis an Glaukom erkrankten Patienten dabei helfen konnte, den Augeninnendruck durchschnittlich um 25 bis 30 Prozent zu senken.
In den darauffolgenden Jahren beschäftigte sich die Forschung vor allem mit den Cannabinoiden aus der Cannabispflanze. Im Jahr 1984 untersuchten Wissenschaftler 32 unterschiedliche Cannabinoide auf ihre Fähigkeit, den Augeninnendruck bei Laborkaninchen zu reduzieren. Unter anderem umfassten diese Cannabinoide Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) sowie Delta-8-THC-Derivate, die intravenös verabreicht wurden. Auch hier konnten die Forscher positive Effekte beobachten. Auch die Cannabinoide Cannabidiol (CBD) und Cannabinol (CBN) scheinen den Augeninnendruck senken zu können.
Noch sind jedoch die genauen Wirkmechanismen von Cannabinoiden im Auge nicht vollständig geklärt. Lange Zeit wurde angenommen, dass die Wirkung von Cannabinoiden auf den Augeninnendruck durch das zentrale Nervensystem verursacht wird. Jedoch legen neueste Studien nahe, dass die Wirkungsstelle von Cannabinoiden beim Augeninnendruck nicht im zentralen Nervensystem liegt.
Forscher nehmen an, dass der Cannabinoidrezeptor CB1 bei der Reduzierung des Augeninnendrucks eine wichtige Rolle spielt. Dieser findet sich im Augengewebe sowie im Ziliarkörper. Vermutlich haben körpereigene Cannabinoide Einfluss auf den Abfluss von Kammerwasser sowie auf die Kammerwasserproduktion. In unterschiedlichen Studien fand man heraus, dass CB1-Rezeptor-Agonisten ebenfalls den Augeninnendruck senken konnten.
Von Nachteil ist bei der Glaukombehandlung mit Cannabis als Medizin, dass der Augeninnendruck lediglich für ungefähr drei bis vier Stunden gesenkt werden kann. Somit müsste ein Patient vier- bis sechsmal täglich Cannabis anwenden. Für eine langfristige Therapie kommt Cannabis deshalb aktuell nicht infrage. Optimal wäre hier die topische Anwendung von Cannabinoiden, also in Form von Augentropfen. Jedoch besitzen natürliche Cannabinoide als auch synthetisch hergestellte Cannabinoide eine geringe Wasserlöslichkeit.
Grüner Star und Cannabis als Medizin: Weitere Forschungen sind notwendig
Durch die lokale Gabe von cannabinoidhaltigen Augentropfen am Auge könnten vermutlich positive Effekte erzielt werden. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass Wissenschaftler hier intensiv forschen und eine Möglichkeit entwickeln, Augentropfen mit Cannabinoiden herzustellen.
Zur Information sei gesagt, dass der Augenarzt Dr. Albert Lockhart und der Pharmakologe Prof. Manley West im Jahr 1987 in Jamaika cannabinoidhaltige Augentropfen gegen Glaukom mit dem Namen „Canasol“ auf den Markt brachten. Bisher existieren hierzu jedoch keine international anerkannten Studien zu der Wirksamkeit und in Deutschland ist dieses Medikament nicht zugelassen.
Quellen:
Robert S., Hepler, MD; Ira R. Frank MD, 1971, “Marihuana Smoking and Intraocular Pressure”
ElSohly MA et al., 1984, “Cannabinoids in glaucoma II: the effect of different cannabinoids on intraocular pressure of the rabbit”
Pharmazeutische Zeitung Online, Rainer-B. Volk, 2009, „Therapie mit Cannabis und Co.“
Department of Ophthalmology, Aberdeen Royal Infirmary, University of Aberdeen, UK, I Tomida et al., 2004, “Cannabinoids and glaucoma”